Kommentar, Nordkorea

Korea und Atombombe: Quo vadis?

Eins vorneweg: Ich fühle mich hier weiter sehr sicher und an meiner Uni (Sogang) ist die Bedrohung, die vom Norden ausgeht, kein großes Thema; zumindest keins, was die Bedeutung der Midterms beeinträchtigen könnte.

Eins ist für mich offensichtlich: Korea kann sein Schicksal (wieder mal) nicht allein bestimmen, Korea ist nur eine Krabbe zwischen mehreren Walen. Die Koreaner sind abhängig vom Gutdünken Japans, Chinas und v.a. der USA.

Ich glaube nicht, dass tatsächlich etwas passiert. Allerdings kommt endlich Bewegung in die Konfliktlage und die Fronten verhärten sich zunehmend.
Kim Jong-Il und seine Eliten spielen das unberechenbare Spiel mit der Angst,
das sie vorzüglich beherrschen, fast schon eine Art Russisch Roulett. Sie bauen in unregelmäßigen und nicht vorhersehbaren Abständen ein Bedrohungsszenarium auf, um ihren Staat vor dem endgültigen Kollaps zu bewahren. Die A-Bombe ist als ein Hilferuf zu verstehen. Es gibt keine andere Möglichkeit anerkannt und ernstgenommen zu werden und v.a. als gleichberechtigtes Mitglied in der internationalen Gemeinschaft zu gelten.

Das kann aber auch mal nach hinten losgehen:
Die Chinesen haben die für Nordkorea wichtigen Finanzleistungen gestrichen, die Bank of China überweist die lebensnotwendigen Devisen nicht mehr und setzt Kim Jong Il somit auf Diät. Japan hat den Handel mit dem Norden vollständig eingestellt, kein Schiffs- und Personenverkehr mehr. Die USA sanktioniert schon seit eh und jeh. Das Land vegetiert vor sich hin, die Menschen sterben, mind. ein Drittel der Bevölkerung hungert. Ich habe ein Video von einem dt. Arzt an meiner Uni gesehen, der von der Unesco aus eine zeitlang dort war. Die Bilder haben mich stark an Afrika erinnert. In den Krankenhäusern gibt es nicht mal sauberes Wasser, keine Instrumente, keine Heizung. Jetzt kommt der kalte Winter, ohne Elektrizität und Strom. Das einzige was leuchtet ist der Juche-Turm in Pyongyang. Aus diesen Gründen sieht die Kim-Dynastie nur eine Möglichkeit der Misere zu entfliehen: Atombombenversuche – ein Verzweifelungsakt, der aber ernst genommen werden muss.

Ich denke nicht, dass eine Okkupation des Nordens oder gar ein Einschreiten der Amerikaner viel Sinn machen würde. Vielmehr muss man Kim daran hindern überhaupt Material herzustellen, das ihm erlaubt, die A-Bombe zu starten. Es muss stärkere Kontrollen und wenn nötig auch Repressionen für solche Geberländer wie u.U. Pakistan oder Libyen geben, ansonsten besteht die Gefahr eines weitweiten Terrorismus, der nicht nur vom radikal-orthodoxen Islam ausgeht, sondern darüber hinaus sich auf solche failed states ausbreitet. Die Bush-Adminstration (genauso wie Japan, China und Südkorea) ist dazu aufgefordert ein gemeinsames Programm vorzulegen, das es ermöglicht (oder zwingt), Nordkorea zum Einlenken zu bewegen.

Die A-Bombe ist derzeit die einzige Daseinsberechtigung Nordkoreas. Mit einer angeblichen nuklearen Bedrohung der USA und Japans legitimieren sie innerhalb ihres „Reiches“ ihre aggressive Politik und verhindern so neben ihrer Juche- Indoktrinierung stalinistischen Musters die Implosion. Kim wäre schon längst k.o. ohne seine militärische Rechtfertigung.

Tobias Lehmann