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Interview: Die Statue des Friedens

Unsere Vorstandsvorsitzende Nataly Jung-Hwa Han wurde von KBS World Radio interviewt. Im Gespräch mit Malte Kollenberg erzählt sie in der Sendung „Treffen zweier Welten“ von unserem Museum „MuEon DaEon“, der Arbeit für die „Trostfrauen“, wie die „Friedensstatue“ dabei mitwirkt und warum wir uns zunehmend an ein jüngeres Publikum wenden.

Das Interview kann man auch auf der Seite des KBS World Radio anhören.

Hier könnt ihr das Interview auch nachlesen:

Kollenberg: Frau Han, wo sind wir hier?

Han: Wir sind hier im Korea Verband und auch in den Räumen unseres Museums MuEon DaEon, also „Sprachlos und Vielstimmig“. 

Kollenberg: Wenn man sich umguckt, geht es die ganze Zeit um die Frauen, die im Zweiten Weltkrieg und in der japanischen Besatzungszeit für japanische Soldaten als sogenannte „Trostfrauen“ versklavt wurden.

Han: Ja sie sehen hier, im großen Saal erstmal die historischen Hintergründe zu den „Trostfrauen“. Aber auch das „Trostfrauen“-System. Das war ja nicht einfach Massenvergewaltigung in dem Sinne, sondern die Frauen wurden systematisch rekrutiert, mobilisiert und versklavt. Und das ist der erste Teil unserer Ausstellung, aber wir haben dann auch den zweiten, dritten und vierten Teil, in dem es auch um die deutsche Geschichte in Nazi-Deutschland, die Wehrmachtsbordelle und Bordelle in den KZs geht. Es geht aber auch um die Vergewaltigungen durch die Alliierten sowie die südkoreanische Geschichte, zu der ich dann auch nochmal ausführen kann. Auch die US-amerikanische Präsenz auf der koreanischen Halbinsel und die sogenannten Camp Towns werden thematisiert. Um die Kasernen herum gab es in den 50er Jahren auch organisierte Prostitution und auch wenig bekannt ist, dass südkoreanische Soldaten im Vietnamkrieg eingesetzt wurden. Wir informieren weiterhin über sexuelle Sklaverei von ezidischen Frauen durch den IS und in Zusammenarbeit mit medica mondiale stellen wir auch verschiedene Frauenorganisationen vor, die vor Ort wie zum Beispiel in Ex- Jugoslawien oder im Kongo oder Uganda Zentren aufgebaut haben, wo sie Frauen unterstützen. 

Kollenberg: Wenn Sie sich mal angucken, wer in die Ausstellung kommt, wer sich dafür interessiert, sind das Deutsche, die hier vorbeikommen, sind das Koreaner, die in Deutschland leben, sind es zweite Generation Koreaner? Wer kommt hier vorbei? Wer interessiert sich für das Thema? 

Han: Meistens ist es deutsches Publikum, das über das Internet auf das Thema aufmerksam wird. Weniger die zweite Generation Koreaner, was interessant ist. Aber auch Koreanerinnen, die aus Korea kommen und hier auf Reisen sind. Wir haben hier auch Schulklassen gehabt. Zudem bieten wir verschiedene Rahmenprogramme und Filmvorführungen. Nicht nur zu „Trostfrauen“-Frage, sondern auch zu anderen Fragen. Und wir haben auch Laufkundschaft sozusagen, die zu unseren Veranstaltungen kommen und sich so ganz natürlich das Museum anschauen, und viele Frauenorganisationen. Also wirklich breit gefächert. 

Kollenberg: Sie haben das ja eben kurz angesprochen, seit dem zweitem Weltkrieg hat es viele Situationen gegeben, in dem Frauen zu Sexarbeit versklavt worden sind. Aber auch dieses japanische System, was dahinterstand, im Zweiten Weltkrieg. Davon waren Koreanerinnen betroffen, davon waren Chinesinnen betroffen, waren Philippinas betroffen. Wie ist da die internationale Zusammenarbeit bzw. kommen Chinesinnen hier vorbei oder Chinesen? Das müssen ja nicht nur Frauen sein. Kommen Philippinos vorbei? Gibt es da einen Austausch? 

Han: Ja, also wir haben da auch zuletzt eine Ausstellung, eine Sonderausstellung organisiert, mit einem gestickten Kunstwerk einer philippinischen Trostfrau. Und wir haben dafür mit philippinischen Frauenorganisationen, unter anderem mit „Gabriela“ kooperiert. Und seitdem haben wir auch verstärkte Kooperation mit der philippinischen Community hier. Eine Zusammenarbeit mit China haben wir auch, also Filmemacher oder Studierende, die sich dafür interessieren. Und das vollen wir auch ausbauen. Wir haben immer wieder Kontakte mit Aktivistinnen aus Indonesien oder auch Osttimor, die uns auch unterstützen. Jetzt, wo wir das Museum aufgebaut haben, haben wir mehr Energie und werden verstärkt in Kooperation mit Organisationen und Aktivistinnen aus anderen Ländern arbeiten. Wir haben auch eine sehr enge Zusammenarbeit mit der japanischen Fraueninitiative und auch mit Organisationen in Japan selbst. 

Kollenberg: Wenn man sich mit dieser Thematik beschäftigt, fällt auf, zumindest ist es mein Eindruck, dass dieses Thema vor allem in Korea sehr stark thematisiert wird. Oder zumindest von Koreanern und Koreanerinnen sehr stark thematisiert wird. Woran liegt es, dass in anderen Ländern, wir haben ja ein paar andere Länder angesprochen, welche auch davon betroffen waren oder gelitten haben, woran liegt das, dass es besonders in Korea so lautstark angemahnt wird?

Han: Es liegt daran, dass wir in Korea eine sehr starke Zivilgesellschaft haben. In Korea war das Thema bis 1990 auch verboten. Als ich mich zu Anfang mit dem Thema beschäftigt habe, wurde die erste Publikation dazu verboten. Eine Freundin hat mir mit einem anderen Umschlag heimlich ein Buch geschickt. Es ist jetzt auch nicht so lange her in Südkorea, dass wir uns mit dem Thema befassen. Aber man muss sich auch vorstellen, dass geht jetzt über 30 Jahre, seit dem ersten „Coming Out“ von Frau Kim Hak-Soon. Zu Beginn war die Bewegung in Indonesien und auf den Philippinen viel stärker. Aber in den anderen Ländern, einschließlich China, war, da es der Gesellschaft ökonomisch nicht so gut ging, eher wenig Platz für solche Belange. Oder eine Zivilgesellschaft konnte nicht so schnell wachsen. Man ist ja schließlich mit anderen Dingen wie dem täglichen Brot beschäftigt. In Südkorea hatten wir das Glück, dass Frauenbewegungen sehr stark aufgekommen sind und viele Bürgerinnen diese Organisationen mit Spenden unterstützen. Das hat man nicht überall und das ist auch sehr vorbildlich. Das ist auch ein Grund, der für mich auch wichtig ist, diese Arbeit zu machen: um zu zeigen, dass das Thema trotz fehlender staatlicher Unterstützung so weit nach vorne gebracht werden kann, dass die betroffenen Frauen von Opfern zu Aktivistinnen werden konnten. Das ist nun mal nicht immer der Fall. Und das macht auch vielen Frauen weltweit wirklich Mut. Wir haben auch wirklich viel Zuspruch von allen Seiten. 

Kollenberg: Lassen wir uns ein bisschen über die Mädchenstatue des Friedens sprechen. Was ist das?

Han: Die Statue heißt auf Deutsch Friedensstatue, aber die eigentliche Übersetzung heißt: Pyeonghwaui sonyeosang (평화의 소녀상), Mädchenstatue für den Frieden. Diese wurde zur 1000. Mittwochsdemonstration im Dezember 2014 in Korea vor der japanischen Botschaft aufgestellt und mittlerweile wird sie weltweit verschiedentlich präsentiert. In Deutschland wurde sie in Wiesent in Regensburg im Park des Himalaya Pavillons platziert und zum 8. März [2020], zum Weltfrauentag, wurde eine Statue in der Rhein- Main Kirche in Frankfurt aufgestellt. 

Kollenberg: Ich kann mich daran erinnern, wie die Statue 2014 in Korea aufgestellt wurde. Das ist etwas gewesen, was durchaus von Protest begleitet wurde. Sowohl von Personen die dort vor Ort waren, aber auch Protest von der japanischen Botschaft. Jetzt, vor ein paar Tagen am 8. März, gab es da Proteste, gab es da Gegenstimmen? Oder war es kein Problem diese Statue aufzustellen?

Han: Ich glaube letztes Jahr, da gab es ja einen großen Skandal, als die japanische Regierung bei der Aichi Triennale die Friedensstatue, die Plastikversion mit Bemalungen, verboten hatte. Dadurch kam es weltweit zur Sprache, wir hatten auch eine große Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung, wo alle Geschichten gesammelt wurden. Die japanische Botschaft und das Konsulat hier in Deutschland versuchten zu intervenieren, sobald diese Friedensstatue aufgestellt werden sollte. Dieses Mal hat die japanische Regierung etwas zurückhaltender reagiert, es wirkt negativ auf sie. Soweit ich mitbekommen habe, haben sie in Frankfurt das japanische Konsulat informiert. Aber da die Friedensstatue auf einem privaten Gelände aufgestellt wurde,  so dass jeder, der an der Straße vorbeiläuft, sie sehen kann, gab es keine Intervention. Auch da es sich um ein Gelände einer Koreanischen Kirche handelt, kann die japanische Regierung sehr wenig machen. Es gab aber auch solche Fälle wie das Frauenmuseum in Bonn. Es ist zwar ein privates Museum, wird aber vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert, und in solchen Fällen wendet sich die japanische Regierung dann sofort an die staatlichen Institutionen. Und da ist die deutsche Regierung dann sehr vorsichtig, wegen der diplomatischen Beziehungen. So können sie dann mehr Druck ausüben. Aber diesmal glaube ich, bringt das dann auch nicht viel, es scheint still zu sein.

Kollenberg: Warum ist es so wichtig, im Ausland, also außerhalb Koreas, auf diese Frage so stark hinzuweisen?

Han: Weil es ja nicht nur um eine koreanische Angelegenheit geht, sondern es geht um den Frieden, um die grundliegende Ursache. Ich mache sehr positive Erfahrungen mit dieser Statue. Die Statue ist sehr kinder- und jugendfreundlich und auch für alle Menschen. Einfache Bürgerinnen reagieren sehr stark auf diese Figur, da sie sehr ansprechend ist. Wenn sie sich die Figur genauer anschauen, sie ist jetzt nicht verzerrt oder leidend, oft sind solche Skulpturen nackt. Aber die hier ist angezogen und ist auf der gleichen Augenhöhe, sie ist nicht auf einem Sockel aufgestellt, und man kann sich zu ihr setzten. Dort ist ein leerer Stuhl, der eine große Bedeutung hat. Gerade kleinere Kinder fragen, warum sie geballte Fäuste hat, und so merken sie die Anspannung in dieser Figur. Sie lieben auch den Vogel auf der Schulter. Ich habe durch meine Arbeit erfahren, dass diese Figur sehr hilfreich ist, um mit Jugendlichen zu arbeiten, um in dieses sehr schwierige Thema hineinzufinden. Kunst kann manchmal mehr erreichen als irgendwelche Dokumente oder Geschichten, die hier sehr schwer verständlich sind. Deswegen liegt uns daran sehr viel, dass es nicht nur um das jetzt geht. Oder dass es eine koreanische Figur ist. Wir arbeiten auch nicht gegen Japan, sondern wir machen das allgemein. Es ist nur ein Beispiel dafür, was heute immer noch passiert, und dass man das verhindert. Deswegen finde ich es auch vollkommen legitim, das wir so was Gutes hier in Deutschland auch ausstellen. 

Kollenberg: Was für Aktivitäten sind in dieser Beziehung in der nächsten Zeit geplant? Sie haben im Vorgespräch darauf hingewiesen, dass hier eine U-Bahn-Station weiter eine Installation steht, die auch sich mit der Figur beschäftigt.

Han: Es gibt ja eine ganz kleine Miniatur der Figur, die ist etwa zehn Zentimeter groß und aus Plastik. Wir haben jetzt eine Installation in diesem Glaspavillon oder Kunstpavillon vor dem Rathaus Tiergarten, die Arbeiten und Ergebnisse eines Workshops mit Schülerinnen der neunten Klasse der Theodor-Heuß- Schule ausstellt. Es war sehr positiv, diese Erfahrung. Wir würden das auch weiterhin machen, im Bildungsbereich Workshops durchführen. Die Erfahrung war sehr positiv mit den jungen Menschen. Wir sprachen allgemein über sexualisierte Gewalt und dann denken die Schülerinnen darüber nach und erzählen auch von ihrer eigenen Sexualität und ihrem eigenen Verhältnis dazu. Und wenn man dann noch einen Schritt weiter nachdenkt: Wo kommt das her? Wie ist das möglich? Dann merkt man, dass sind einfach diese ungleichen Machtverhältnisse. Wir weisen auch darauf hin, dass es genauso auch Jungen oder Männer betreffen kann, dann stellen sich diese Bezüge zu einem gesamten gesellschaftlichen und politischen Verhältnis her. Und das, glaube ich, ist pädagogisch sehr, sehr wichtig. Dass die jungen Menschen merken, wo sie als Individuum und in welchem Zusammenhang sie in diesen ganzen Machtverhältnissen innerhalb der Gesellschaft und dem System stehen. Und da denke ich, dass wir eine sehr gute Arbeit geleistet haben und auch leisten wollen. Wir bemühen uns nun, dass das Museum jugendgerechter umgestaltet wird und versuchen mit mehr Schulen zu kooperieren. 

Das Titelbild zeigt Nataly Jung-Hwa Han vor der Vitrine am Rathaus Tiergarten. Foto: Jonas Borchers